Wahlprüfstein

Zivil­gesell­schaft­liche Beteiligung

Es war abzusehen, dass fast alle Parteien Bürgerbeteiligung, Engagement und Grundrechte irgendwie gut finden. Auch Transparenz und Einbindung der Zivilgesellschaft lehnt wohl keine der demokratischen Parteien rundheraus ab. Wir haben daher versucht, so konkret wie möglich Positionen und Pläne aus den Parteien herauszukitzeln. Aber leider bleiben die Antworten eher vage, konkret werden sie allenfalls in einzelnen Vorhaben. Obwohl wir – ausgehend von unserer Forderung nach einer aktiven Einbindung der Zivilgesellschaft – ausdrücklich nach deren Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen gefragt haben, werden Begriffe wie Beteiligung, Teilhabe, Engagement und Zivilgesellschaft von allen Parteien recht wild durcheinandergeworfen. Die Antworten auf unsere Fragen kreisen daher eher allgemein um das Thema „Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern“.

Wie wollen die Parteien Büger*innen einbeziehen?

Dabei sind „Bürger-“ (FDP, SPD) bzw. „Bürger*innenräte“ (DIE LINKE, GRÜNE) ein zentrales Thema, deren Einsetzung FDP, DIE LINKE und GRÜNE fordern. Die SPD will „die Erfahrung mit [ihnen] aufgreifen und es uns zur Aufgabe machen, neue Wege der unmittelbaren Beteiligung an staatlichen Entscheidungen zu gehen“ – was auch immer das heißen soll.

Auch andere Formen der Einbindung werden genannt: Etwa „Bürger*innenkonferenzen“ und Diskussionsforen (GRÜNE), beratende „Hausparlamente“ und eine Plattform mit Kommentierungsfunktion auf dem Gesetzesvorhaben veröffentlicht werden (FDP) oder ein entsprechendes „Bürger*innenbeteiligungsportal“ (DIE LINKE).

Die SPD betont, dass durch Beteiligung „Rechtswege verkürzt und Verfahren beschleunigt“ werden können. Und während für die FDP „der Beratungsauftrag klar eingegrenzt und die Erwartungen klar definiert“ sein müssen um die Entscheidungskompetenz des Parlaments nicht zu beschränken, will DIE LINKE Beteiligung insgesamt ausbauen, etwa durch Volksbegehren, Referenden und Volksentscheide sowie eine Öffnung des Wahlrechts für Nichtdeutsche und Jugendliche. Die GRÜNEN hoffen die Zivilgesellschaft durch „Innovationsökosysteme aus Hochschulen, Mittelstand und Zivilgesellschaft“ und die „Gründung einer eigenständigen Innovationsagentur (D.Innova)“ zu stärken. Die Unionsparteien sehen sich wohl selbst als beste Vertreter der Zivilgesellschaft, denn da sie selbst „aus der Mitte der Gesellschaft“ kommen und „Verantwortung für alle Menschen“ tragen, kommt Beteiligung nur in Form von Mitmachaktionen wie „Hackathons“ vor.

Auf die klare Frage nach einer verbindlichen Zivilgesellschafts-Quote für alle Beratungsgremien geht nur DIE LINKE ein, die diese Forderung unterstützt. Die GRÜNEN sprechen sich immerhin für einen „Digitalisierungsbeirat“ unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft aus und verweisen – in diesem Zusammenhang nicht ganz nachvollziehbar – auf ihre Pläne für ein Paritätsgesetz. Während die SPD die Frage stillschweigend übergeht, beantworten CDU/CSU die gesamte Frage nicht. Die FDP verweist auf die „Freiheit des Mandats“ und unterstellt wohl, dass entsprechende Verfahrensregeln die Abgeordneten in ihrem Ratsuchen beschränken könnten.

Unzureichende Fristen für Konsultationen aus der Zivilgesellschaft Auch unsere eigentlich sehr klare Frage nach verbindlichen Fristen bei der Verbändeanhörung, die vermeiden sollen, dass selbst bei komplexen Gesetzesvorhaben zivilgesellschaftliche Organisationen oft nur wenige Tage zu Stellungnahme haben, hat lediglich DIE LINKE konkret beantwortet: Sie stellt eine Reform der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) in Aussicht. Die GRÜNEN wollen immerhin die Verständlichkeit der Entwürfe durch „Veröffentlichung von Textgegenüberstellungen“ erhöhen und die SPD will „den Trend der immer kürzeren Fristen zur Stellungnahme […] umkehren“.

Transparenz soll vor allem durch einen legislativen (GRÜNE, DIE LINKE) bzw. exekutiven (FDP) Fußabdruck oder auch beide (SPD) geschaffen werden. DIE LINKE fordert zudem eine umfassende Dokumentation aller Kontakte von Entscheidungsträger*innen zu Lobbyverbänden. Die bisherigen Oppositionsparteien wollen die vielen Ausnahmen im Lobbyregistergesetz streichen, die SPD statt des Informationsfreiheits- ein Transparenzgesetz einführen. Dass Ausschüsse grundsätzlich öffentlich tagen sollten, wird von DIE LINKE und den GRÜNEN gefordert. CDU/CSU dagegen haben die Frage nach mehr Transparenz gar nicht erst beantwortet.

Unsere Einschätzung

Auch wenn die Antworten der Parteien leider nur wenige konkrete Ideen zur Einbindung der Zivilgesellschaft und gar nichts über die Wahrung der Grundrechte enthalten, zeigen sich doch Unterschiede im Politikverständnis der Parteien. Während GRÜNE und vor allem LINKE eine Öffnung des politischen Prozesses fordern und die FDP immerhin eine aktive Beratung durch die Bevölkerung fördern möchte, erscheint die SPD recht skeptisch, was aktive Einbindung angeht. Aber immerhin zeigt sie sich grundsätzlich offen, während die Unionsparteien offenkundig an ihrem politischen Vertretungsanspruch und herkömmlichen, teilweise überkommenen Entscheidungsprozessen auch bei der Digitalisierung festhalten wollen.

Tom Jennissen, Digitale Gesellschaft

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