Was wir von der Wikipedia lernen können

Nur wenn das Internet dem Gemeinwohl dient, wird es ein Raum für alle

Der Status Quo

Zwei Blickwinkel auf das Internet dominieren den politischen Diskurs: Das Netz als Werkzeug des grenzenlosen Kommerzes und übergroßer Konzernmacht, und das Netz als allgegenwärtiges Überwachungsinstrument. Im Begriff „Überwachungskapitalismus” kommen beide zusammen. Was bei alldem meist übersehen wird, ist der sogenannte „Dritte Sektor” des Netzes. Dieser gemeinnützig getragene und auf das Wohl aller ausgerichtete Teil des Netzes führt schon heute vor, was ein Netz für alle morgen sein könnte: Ein Raum für alle, ein echtes Public Interest Internet.

Unsere Vision für 2030

Das größte Projekt des gemeinwohlorientierten Internet kennen die meisten. Es heißt Wikipedia. Doch neben ihr gibt es zahllose weitere Projekte ohne Kommerzhintergrund und ohne staatliche Eingriffe, getragen von Initiativen, Kooperativen und Netzwerken. Dieser wichtige Dritte Sektor muss angemessene Spielregeln erhalten. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort „angemessen“.

Nicht die Regeln für profitorientierte Dienste dürfen hier der Maßstab sein. Wir brauchen vielmehr Regeln, die möglichst vielen Menschen die Chance geben, das Internet der Zukunft aktiv mitzugestalten. Nur auf diesem Weg kann eine demokratische Digitalisierung gelingen. Nur in einem Umfeld mündiger und eigenverantwortlicher Netznutzender mit echter Gestaltungsmacht können soziale Normen entstehen, die dem Netz von heute vielfach so schmerzlich fehlen. Und erst durch wirksame soziale Normen, freien Austausch und umfassende Inklusion wird das Netz der Zukunft zu einem auf Grundwerte gebauten und wahrhaft öffentlichen Raum, einem Raum für alle.

Unsere Forderungen an die Politik

  • Die Bundesregierung muss den Einfluss Deutschlands bei der EU-Gesetzgebung dahingehend geltend machen, dass im Rahmen des kommenden „Digitale-Dienste-Gesetzes” der EU (Digital Services Act, DSA) spezielle Regeln für gemeinnützige Plattformen geschaffen werden. Das gilt insbesondere für Plattformen, die durch selbstverwaltete Nutzendencommunitys getragen werden.
  • Um die Kommunikationsgrundrechte zu sichern, darf bei der Netzregulierung keine neue „graue” Kategorie von Netzinhalten geschaffen werden, die zwar nicht illegal sind, aber dennoch als unerwünscht sanktioniert werden. Inhalte, die aus dem Netz verschwinden sollen, müssen zuvor in einem demokratisch legitimierten parlamentarischen Prozess für illegal erklärt werden. Anders ist eine justizielle Kontrolle nicht möglich und der Grundrechtsschutz ausgehebelt.
  • Digital gelebtes Engagement muss gesellschaftlich in vergleichbarer Weise anerkannt und gefördert werden wie Engagement außerhalb des Netzes. Hierfür ist unter anderem erforderlich, dass Ehrenamtlichen-Communitys der Zugang zu den Ressourcen, die sie vor allem für ihre Arbeit benötigen, erleichtert wird. Dazu gehören Inhalte, mit denen sie arbeiten können, und Zeit. Auch müssen Haftungsrisiken für ehrenamtliche und gemeinnützige Netzprojekte jederzeit tragbar bleiben.
  • Um den Plattformen des Public Interest Internet bessere Chancen gegenüber digitalen Großkonzernen zu verschaffen, müssen genossenschaftliche und andere alternative Finanzierungsmodelle von Seiten des Staates begünstigt, offene Schnittstellen gefördert und die Datenbestände besonders mächtiger Online-Dienste auch für Externe zugänglich gemacht werden.

Autor

John Weitzmann, Leiter Politik und Recht, Wikimedia Deutschland e. V..

Wikimedia Deutschland ist ein gemeinnütziger Verein mit über 85.000 Mitgliedern und 150 Beschäftigten. Neben San Francisco, dem Sitz der Wikimedia Foundation, ist Berlin damit der zweite große Standort des internationalen Wikimedia Movements. Die Wikimedia-Organisationen unterstützen unter anderem Wikipedia, die fünftbeliebteste Website in Deutschland und international die einzige nichtkommerzielle Website unter den Top 20.

Impressum

Angaben gemäß §5 TMG

Superrr Lab SL gGmbH
Oranienstraße 58a
10969 Berlin

Vertreten durch:
Julia Kloiber
Elisa Lindinger

Illustrationen:
Anna Niedhart

Registereintrag:
Eintragung im Handelsregister.
Registergericht: Berlin
Registernummer: HRB 207856 B


Die Initiative hat einen Rapid Response Grant der Schöpflin Stiftung erhalten, der für Webdesign und Grafik eingesetzt wurde.