Wahlprüfstein

Digitale Souveränität

In Anlehnung an die erste der vier Forderungen aus der digitalen Zivilgesellschaft haben wir die Parteien zu ihren Positionen dazu befragt, wie sie sich im Rahmen der nächsten Legislaturperiode im Falle einer Regierungsbeteiligung für eine digital handlungsfähige Gesellschaft einsetzen werden.

Was verstehen die Parteien unter digitaler Souveränität?

Der Begriff „digitale Souveränität“, der der ersten Forderung voransteht, ist weit verbreitet, wird aber sehr unterschiedlich ausgelegt und ist deshalb umstritten. Um mehr Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen, haben wir die Parteien nach ihrem Verständnis des Begriffes gefragt. Gekoppelt ist die Frage an die Position der Parteien zum von der derzeitigen Regierung geplanten „Zentrum für digitale Souveränität“.

Klare Definitionen bleiben die meisten Parteien schuldig, sie verorten den Begriff jedoch thematisch unterschiedlich. Für CDU/CSU sind die digitale „Souveränität des Einzelnen und die Souveränität des Staates“ in erster Linie Wirtschafts- und Wohlstandsfaktoren, die über nicht näher benannte Maßnahmen erreicht werden, um den „digitalen Marktort Europa“ zu stärken, Hard- und Softwareentwicklung in Europa zu fördern und durch Themen wie „AI made in Europe“ weltweite Standards zu setzen.

Dagegen ist es das erklärte Ziel der GRÜNEN, Menschen zu befähigen „souverän digitale Dienste nutzen zu können“. Dafür drängen sie darauf, „mit breiten Regulierungsansätzen und offenen Standards europäische Werte durchzusetzen“, nennen aber keine klaren Betätigungsfelder, oder welche Werte sie als genuin europäisch verstehen. Unklar bleibt auch, welche Rolle dabei digitale Services der öffentlichen Verwaltung spielen.

Konkreter fällt die Definition von DIE LINKE aus: „Wir verstehen darunter die digitale Selbstbestimmung - von Staaten, von der Wirtschaft, aber auch aller Menschen. Selbstbestimmung im Netz muss als unumstößlicher Grundsatz von staatlichem Handeln respektiert werden.“ Konkrete Handlungsfelder sind Schutz vor Überwachung, Schutz der individuellen IT-Sicherheit und die gleichberechtigte Teilhabe an den Möglichkeiten der Digitalisierung (Schnelles Internet für alle, Abdeckung der Kosten für Geräte im Rahmen von Grundsicherung und Mindestrente). Unter dieser Definition begrüßt DIE LINKE die Einrichtung eines Zentrums für digitale Souveränität.

Die FDP verortet digitale Souveränität vor allem in der Wirtschaft als geopolitisches Instrument: Sie ist Garant für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, wahrt europäische Werte – auch hier bleibt unklar, welche Werte das sein sollen. „Einflussmöglichkeiten autoritärer Regime“ beim Infrastrukturausbau müssen demnach unterbunden werden, was wir als Breitseite gegen den chinesischen Konzern Huawei beim Ausbau des 5G-Netzes interpretieren. Die FDP setzt sich außerdem für ein Recht auf Verschlüsselung ein und fordert gleichzeitig Forschungs- und Innovationsförderung sowie innovationsfreundliche Rahmenbedingungen wie ein „modernes Datenrecht“. Unklar bleibt, wie sich ein solches wirtschaftsfreundliches Datenrecht zum Recht auf Verschlüsselung verhalten soll.

Die SPD begrüßt den Beschluss zum Aufbau eines Zentrums für digitale Souveränität und betont dessen Aufgabe, Open-Source-Software in der öffentlichen Verwaltung zu fördern und Daten analog zum 2019 vorgeschlagenen “Daten-für-Alle”-Positionspapier verfügbar zu machen.

Wo wollen die Parteien Digitalpolitik in Zukunft verankern, und wo sehen sie die drängendsten Herausforderungen?

Die GRÜNEN äußern sich zwar nicht zum Zentrum für digitale Souveränität, fordern aber in Sachen Digitalpolitik „eine klare und effektive Koordinierung in der Bundesregierung und mit den europäischen Partnern“. Eine „ressortübergreifende Modernisierungsversion“, die mit zivilgesellschaftlicher Beteiligung entwickelt werden soll, wird durch alle Ministerien umgesetzt, wozu auch „innovativeres Arbeiten“ und „sozial-ökologische Innovationen und Digitalisierung“ gehören.

DIE LINKE stellt sich explizit gegen ein angedachtes Digitalministerium – zumindest, wenn ihm nicht „Zuständigkeiten für zentrale Bereiche wie bspw. Das Online-Zugangs-Gesetz OZG) oder die digitale Infrastruktur“ zufallen. Es sei notwendig, in Digitalisierungsfragen strategisch zu steuern, wo andere Bereiche wie IT-Sicherheit, aber auch Teilhabe und Gemeinwohfragen berührt werden.

Digitalisierung soll aus dem Kanzleramt heraus koordiniert werden. Ein Digitalkabinett überwacht anhand einer zu formulierenden Digitalen Agenda, messbaren Zwischenzielen und durch fortlaufendes Monitoring den Digitalisierungsfortschritt.

Für ein Bundesministerium für digitale Transformation setzt sich dagegen die FDP ein. Es soll als Koordinationsstelle für digitalpolitische Projekte fungieren. Ziel des Ministeriums ist es, „Synergieeffekte zu nutzen und eine schlankere und effizientere Regierung“ zu schaffen.

CDU/CSU setzen sich ebenfalls für ein Digitalministerium „mit umfassenden Kompetenzen zur Modernisierung der Infrastruktur und der Arbeitsweise von Behörden“ ein, das neben der Gigabit-Versorgung Deutschlands auch Weiterbildungen rund um Digitales umsetzen soll.

Unsere Einschätzung

Entgegen unserer Forderung, Digitalisierung direkt und konkret für das Gemeinwohl umzusetzen, legen insbesondere CDU und FDP Digitalisierung weiterhin als Wirtschafts- und Innovationsthema aus und sehen vor allem in diesen Bereichen Handlungsbedarf. Wir begrüßen die Ansätze, die verstärkt die Menschen und die Gesellschaft ins Zentrum der Digitalisierung rücken und den gesellschaftlichen Nutzen digitalpolitischer Projekte auf den Prüfstand stellen.

Julia Kloiber und Elisa Lindinger, SUPERRR Lab

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