Jeannette Gusko von future_s zum Thema Soziale Gerechtigkeit

Digital gerechte Zukünfte braucht das Land

Der Status Quo

Soziale Ungleichheit nimmt zu. Vermögen, Einkommen, Zugänge, Chancen, Wissen, gesellschaftlich-politische Teilhabe oder körperliche und psychologische Unversehrtheit sind stark zunehmend ungleich verteilt. Das urdeutsche Versprechen, dass Leistung Aufstieg und Einfluss ermöglicht, bricht nicht erst jetzt, doch es bricht mit zunehmender Digitalisierung deutlicher. In den Jahren 2013 bis 2018 sind die Vermögen der reichsten deutschen Haushalte auf je durchschnittlich 11 Millionen Euro - um beinahe 50% - gewachsen. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung konnte so gut wie kein Vermögen aufbauen.

Die Digitalisierung von Geschäftsmodellen, Arbeitsweisen und Bildungsangeboten in ihrer jetzigen Form verstärkt bestehende Gaps wie Gender Gap, Ost-West Gap, Lebenseinkommen-Gap. So fällt bspw. die solide bezahlte, Sorgearbeit ermöglichende Ebene der Sachbearbeiter*innen zunehmend weg, die v.a. von Frauen nachgefragt wird. Eine eigene Lücke tritt hinzu: das Wissen, wie Digitalisierung funktioniert und gestaltet wird, sowie die Kraft, es auch zu tun (Digital Divide, Literacy & Agency).

Was fehlt: Eine umfassende staatliche Anstrengung, digitale Chancen ab dem Kindergarten zu ermöglichen, vulnerable Gruppen besser zu schützen und die Zukunft der Arbeit sowie gesellschaftlich-politische Teilhabe nicht ausschließlich Privilegierten zu überlassen.

Unsere Vision für 2030

Werden Kleinkinder morgens in den Kindergarten gebracht, erleben sie dort Inklusion, finanzielle Förderung, Zutrauen und psychologische Sicherheit. Diese Erfahrungen prägen, sodass der Nachwuchs in digitalen (MINT-)Berufen nun nach Geschlecht ausgeglichen ist. Frauen und marginalisierte Gruppen können digital zuhause sowie in den VHS von der Bundesregierung gefördertes Digital-Coaching wahrnehmen und erlernen hier Fähigkeiten für einen digitalen Jobeinstieg und -wechsel. So profitieren sie von hohen Gehältern für ihren Vermögensaufbau. Programmier- und Produktteams werden divers zusammengestellt, ihre digitalen Produkte weisen jedes Jahr rückläufigen Bias auf.

Nach einem Erstarken von Hass und Gewalt zu Beginn der Dekade fühlen sich marginalisierte Gruppen nun sicherer in digitalen Räumen. Die Monopole der Plattform-Ökonomie wurden entflochten; open-source-, genossenschaftlich-gemeinwohlorientierte Plattformen erfreuen sich großer Beliebtheit im Alltag.

Auf allen politischen Ebenen besteht Parität zwischen den Geschlechtern. Zu digitalpolitischen Ausschüssen und Sitzungen werden kontinuierlich marginalisierte Communities sowie quotiert zivilgesellschaftliche Organisationen in Fachgremien gehört.

Die Arbeitswoche ist nur noch maximal vier Tage lang. So haben Menschen jeden Alters mehr Muße für Kreativität und Kultur, die sie auch für digitales Experimentieren, Hacken und digitalpolitisches Engagement nutzen.

Die Schere zwischen Mittellosen und Reichen schließt sich kontinuierlich. Unternehmensgewinne digitaler Produkte werden in Deutschland versteuert. Eine neue Gründer*innengeneration gründet digitale Unternehmen, die soziale Innovationen voranbringen. Algorithmen-basiertes Entscheiden und Künstliche-Intelligenz-Technologie sind inklusiv und open-source gestaltet. Ihr Einsatz unterstützt die soziale Durchmischung von Wohngebieten oder das digitalisierte Personalmanagement.

Welche Leitplanken wurden gelegt, um dorthin zu kommen? Wann fand ein Umdenken statt und wie beeinflusst es unsere Gesellschaft in 2030 positiv?

Empirische Daten zu systemimmanenten und strukturellen Rassismus werden erhoben und disaggregiert. Eine Zivilgesellschaftsquote in Gremien zu Fragen der Digitalisierung wird eingeführt. Rassismuskritische und feministische Künstliche Intelligenz ist ein neuer zertifizierter Standard: für Bürger*innen einsehbar und mit Qualitätssiegel.

Dekolonialisierung und Geschlechtergerechtigkeit wurden in der frühkindlichen Bildung verankert.Empowerende Narrative und neue Geschichten aus intersektional arbeitenden sozialen Bewegungen tragen zur politischen Bildung der Gesellschaft bei.

Unsere Forderungen an die Politik

  • Digitale Infrastruktur: 5G- und Glasfaser-Internetanschlüsse überall und kostengünstig bis 2027, Ausbau kostenloser Freifunk-Angebote
  • Staatliche Förderung und Zertifizierung inklusiver ADM- & KI-Technologie. Alle in der Verwaltung eingesetzten Tools werden auf ihre Diskriminierungsfreiheit geprüft.
  • Staatliche Förderung gemeinwohlorientierter genossenschaftlicher Plattformen und Open-Source-Projekte.
  • Förderung neuer Geschäftsmodelle: Staatlicher Wagniskapitalfonds, der Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit als Kriterien für Gründer*innenzuschüsse und bei öffentlichen Aufträgen voraussetzt

Autorin

Jeannette Gusko ist Vorsitzende von future_s e.V., eine feministische Research- und Advocacy-Organisation mit der Mission, eine sozial gerechte, inklusive Gesellschaft zu gestalten. Mit eigener Forschung und Publikationen sowie der Entwicklung neuer Werkzeuge und Interventionsmethoden berät future_s Organisationen, Institutionen und Entscheidungsträger*innen und trägt zur öffentlichen Meinungsbildung bei.

Impressum

Angaben gemäß §5 TMG

Superrr Lab SL gGmbH
Oranienstraße 58a
10969 Berlin

Vertreten durch:
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Elisa Lindinger

Illustrationen:
Anna Niedhart

Registereintrag:
Eintragung im Handelsregister.
Registergericht: Berlin
Registernummer: HRB 207856 B


Die Initiative hat einen Rapid Response Grant der Schöpflin Stiftung erhalten, der für Webdesign und Grafik eingesetzt wurde.