Die Digitale Gesellschaft über Partizipation
Demokratie statt Beteiligungssimulation
Der Status Quo
Demokratie, Transparenz, Partizipation. Große Begriffe, die sich alle Parteien gerne auf die Fahnen schreiben. Doch neue Gesetze und Entscheidungen erwachsen meist aus einem Dickicht von Bürokratie, informellen Absprachen und Sachzwängen. Zivilgesellschaftliche Mitbestimmung wird systematisch unterlaufen und die Bundesregierung schafft es nicht einmal, ihre Referenten- und Gesetzesentwürfe als PDF-Dateien auf einer zentralen Plattform hochzuladen.
Selbst eine grundlegende Übersicht über Art und Umfang der Beteiligung von Verbänden und Unternehmen bei der Erarbeitung kann sie nicht vorlegen. Dazu müssten riesige Papieraktenberge händisch durchsucht werden. Art und Umfang von Beteiligungsverfahren obliegen dem Ermessen der zuständigen Ministerien, jedoch „unter dem Vorbehalt des tatsächlich Möglichen“. Dieser Vorbehalt ist leider groß: Wenn das zuständige Ministerium zwei Jahre braucht, um eine EU-Richtlinie in einen Gesetzentwurf umzusetzen, dann bleiben häufig nur zwei Tage für zivilgesellschaftliche Stellungnahmen.
Unsere Vision für 2030
2030 befindet sich die Bundesrepublik ebenso wie zahlreiche andere Staaten in einem grundlegenden Transformationsprozess. Gelebte Demokratie äußert sich nicht mehr ausschließlich in turnusmäßigen Wahlen zu den Gesetzgebungsorganen und in medialen Debatten über die persönlichen Unzulänglichkeiten möglicher Regierungsspitzen. Aktive Beteiligung an Entscheidungen ist selbstverständlicher Bestandteil einer tatsächlich gelebten Demokratie.
Nachdem Klimakrise und die Covid-19-Pandemie zu Beginn des Jahrzehnts zahlreiche gesellschaftliche Missstände aufgedeckt haben, bildet sich eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen populistische Versuchungen und Hinterzimmerpolitik. Langsam bildet sich der gesellschaftliche Konsens heraus, dass nur in einer offenen und demokratischen Gesellschaft die bestehenden Probleme und anstehenden Herausforderungen gemeistert werden können, dass eine Politik, die einseitig auf die Durchsetzung kurzfristiger Wirtschaftsinteressen gerichtet ist, die Grundlagen eines demokratischen Gemeinwesens untergräbt und nur durch die effektive Einbindung der Zivilgesellschaft in Entscheidungsprozesse eine Politik im Interesse der Bevölkerung möglich ist.
Die Potenziale digitaler Kommunikation werden ausgeschöpft und gesellschaftliche Probleme auf selbstverwalteten Plattformen und in öffentlichen Foren diskutiert. Die Politik kann sich dem nicht länger verschließen und nähert ihre Arbeitsweise dem Stand gesellschaftlicher Diskussion und technischer Machbarkeit zumindest teilweise an. Legislative und grundlegende exekutive Verfahren werden von Beginn an kommuniziert und öffentlich gemacht. Gesetzgeberische Initiativen und Vorhaben werden unter aktiver Einbeziehung von Zivilgesellschaft und Wissenschaft auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen analysiert. Es bestehen übersichtliche Informations- und Beteiligungsplattformen, auf denen nachvollziehbar, übersichtlich und maschinenlesbar alle Entscheidungsprozesse dokumentiert und die Gesetzgebungs- und Entscheidungsmaterialien zur Verfügung gestellt werden.
Es ist öffentlich nachvollziehbar, welche Interessen, Stellung- und Einflussnahmen in die jeweiligen Arbeitsschritte einfließen und welche Positionen sich in den endgültigen Normen sowie Entscheidungen konkret wiederfinden. Für die Bevölkerung besteht die Möglichkeit, diese Entscheidungsfindung zu kommentieren, deren Berücksichtigung sichergestellt wird. Zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die die Interessen der Bevölkerung bündeln und artikulieren, werden aktiv in die Erarbeitung eingebunden und ihnen die dafür benötigten Ressourcen zur Verfügung gestellt. Ihre Einbindung ist auch in den parlamentarischen Verfahren obligatorisch. Sie erhalten die Möglichkeit, in transparenten und demokratischen Verfahren gesellschaftliche Prozesse mit ihrer Expertise politisch zu gestalten.
Unsere Forderungen an die Politik
Erste Schritte zu einer angemessenen Beteiligung und Demokratisierung von Normsetzungsverfahren, insbesondere durch eine Anpassung von GGO (Gemeinsamer Geschäftsordnung der Bundesministerien) und GOBT (Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags):
- Veröffentlichungspflicht für sämtliche gesetzgeberischen Vorhaben und der Materialien
- Verbindliche Fristen für die Veröffentlichung von Entscheidungs- und Gesetzesvorhaben auf allen Stufen des Verfahrens und für die Beteiligung von Verbänden
- Ausschusssitzungen sind grundsätzlich öffentlich
- Obligatorische Sachverständigenanhörung im Gesetzgebungsverfahren unter verbindlicher Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen
- Paritätische Beteiligung der Zivilgesellschaft in Beratungsgremien
- Schaffung eines exekutiven und legislativen Fußabdrucks
- Umgehende Schaffung einer zentralen Veröffentlichungs- und Beteiligungsplattform
Autor
Die Digitale Gesellschaft e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit seiner Gründung im Jahr 2010 für Grundrechte und Verbraucherschutz im digitalen Raum einsetzt. Zum Erhalt und zur Fortentwicklung einer offenen digitalen Gesellschaft engagiert sich der Verein gegen den Rückbau von Freiheitsrechten im Netz, gegen alle Formen von Überwachung und für die Realisierung digitaler Potentiale bei Wissenszugang, Transparenz, Partizipation und kreativer Entfaltung.