Handlungs­schritte für eine moderne Verwaltung

Ohne Kulturwandel kein digitaler Wandel

Der Status Quo

Abgelaufener Personalausweis, Ummeldung oder Kindergeldbeantragung – auch wenn sich 85% der Deutschen wünschen, Verwaltungsleistungen online in Anspruch zu nehmen, führen die Wege immer noch ins Amt. Deutschlands Aufholbedarf spiegelt sich im Ranking des „Digital Economy and Society Index“ der EU wider: Mit Blick auf das E-Government belegt Deutschland im europäischen Vergleich nur Platz 21.

Deutschland hat sich im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) verpflichtet, Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 elektronisch anzubieten, und dafür 3 Milliarden Euro bereitgestellt. Mangelnde Investitionen scheinen also nicht der Grund für die schleichende Umsetzung zu sein. Vielmehr hakt es an vielen Stellen in der Organisation: von der grundlegenden Prüfung der Prozesse, Strukturen und Gesetze auf ihre Digitaltauglichkeit sowie deren Modernisierung über die Ausbildung digitaler Kompetenzen, die Schaffung der technischen digitalen Infrastruktur bis zur Definition eindeutiger Zuständigkeiten.

Nur wenige der Themen und Handlungsbereiche der digitalen Verwaltungstransformation, z. B. die Umsetzung einer digitalen Identität, zielen auf die Entstehung neuer Austausch- und Kollaborationsmöglichkeiten zwischen Gesellschaft und Politik. Durch die derzeit fehlende Einbindung der Zivilgesellschaft bleibt enormes Potenzial ungenutzt.

Unsere Vision für 2030

Politik und Verwaltung haben die Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung in einen größeren Kontext eingebettet und nicht nur Verwaltungsservices erfolgreich digitalisiert, sondern die Weiterentwicklung unserer Demokratie angestoßen. Im Zentrum steht ein neues Selbstverständnis von Politik und Verwaltung: offen, kollaborativ, proaktiv und moderierend. Komplexe und dynamische Themenfelder werden mithilfe eines Netzwerks an Expert*innen und Praktiker*innen außerhalb der Verwaltung analysiert und bearbeitet. In neuen Dialog- und Austauschformaten wie Hackathons oder Simulationen kommen Akteur*innen aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen. Das Regierungshandeln ist offener für Austausch, Feedback und Input von zivilgesellschaftlicher Expertise geworden. In Umfragen bestätigen die Bürger*innen regelmäßig ihr hohes Vertrauen in und ihre Zufriedenheit mit Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen.

Im Jahr 2030 ist „Digital First“ in Verwaltungsprozessen mithilfe einer sicheren digitalen Identität eine Selbstverständlichkeit. Bürger*innen und Unternehmen müssen nur ein einziges Mal ihre Daten abgeben und können anschließend mit wenigen Klicks alle Leistungen der öffentlichen Hand von zu Hause aus beantragen. Der Gang zum Amt fällt weg und erhöht die Flexibilität der Bürger*innen. Sie müssen sich auch nicht länger durch Papierberge oder Online-Formulare arbeiten. Leistungen, die ihnen zustehen, werden ihnen proaktiv von den Behörden angeboten.

Die digitalen Angebote werden durch das Feedback der Bürger*innen von digital geschulten Mitarbeiter*innen in interdisziplinärer Zusammenarbeit ständig verbessert und weiterentwickelt. Mit hauseigener IT können neue Projekte schnell und kostengünstig umgesetzt werden. Der Schlüssel zum Erfolg ist zudem die Attraktivität der öffentlichen Hand als Arbeitgeberin. Verwaltungsangestellte können sich in modernen, digitalen und projektorientierten Arbeitsstrukturen kontinuierlich weiterentwickeln und neue Kompetenzen aufbauen. Dieser interne Kulturwandel zeigt sich auch nach außen: serviceorientiert gegenüber Bürger*innen und innovativ in der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Förderprogramme mit dem Ziel, die digitale Verwaltung nach den gesellschaftlichen Bedarfen weiterzuentwickeln, bringen Ministerien, Behörden und Zivilgesellschaft an einen Tisch.

Unsere Forderungen an die Politik

Handlungsschritte auf dem Weg zur Vision: Die neue Regierung setzte zum Beginn der neuen Legislaturperiode 2021 den Grundstein für einen politischen Kulturwandel. Voraussetzung für die Entwicklung und Implementierung erfolgreicher Maßnahmen war die Erkenntnis im Kabinett, dass die Arbeit der Bundesregierung grundlegend weiterentwickelt werden muss. Man nahm sich ein ganzes Jahr Zeit, um die Probleme bei der Digitalisierung der Verwaltung und der Digitalpolitik insgesamt grundlegend zu analysieren und konkrete Handlungsbedarfe zu identifizieren. Die Bereitschaft, keine Tabus zuzulassen und auch grundlegende Strukturen kritisch zu hinterfragen, waren hierbei der Schlüssel zum Erfolg. Auf Basis der umfassenden Analyse wurden Missionen zur Lösung der wichtigsten Probleme definiert. Die politisch Verantwortlichen verpflichteten sich dazu, alle Hindernisse zum Erreichen der Missionen auszuräumen, insbesondere bestehende Prozesse und Strukturen, die der Mission im Weg standen.

  • Mission 1: der öffentliche Dienst wird der attraktivste Arbeitgeber in Deutschland. Hierzu werden zum Beispiel die Laufbahnwege flexibilisiert, projekt- und ressortübergreifende Zusammenarbeit gefördert, Weiterbildungsangebote verbessert und eine agilere und team-orientierte Arbeitskultur angeregt.
  • Mission 2: die klügsten Köpfe auch auf Leitungsebenen für die Digitalisierung gewinnen. Es werden Maßnahmen ergriffen, um den Austausch von Leitungspersonal zwischen Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Verwaltung zu fördern. Dazu gehören unter anderem eine Reform der sozialen Absicherung zur Erleichterung von sektorenübergreifendem Personalwechsel, eine Flexibilisierung von Verwaltungslaufbahnen und die Entwicklung von Anreizen für mehr Austausch, besonders auf den Leitungsebenen.
  • Mission 3: Zuständigkeiten und Entscheidungsprozesse vereinfachen. Eine grundlegende Föderalismus-Reform ermöglicht die Entflechtung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern sowie eine effizientere Zusammenarbeit. Entscheidungsprozesse werden so nicht nur beschleunigt, sondern auch transparenter. Gleichzeitig werden wichtige Aufsichtsfunktionen wie beim Datenschutz oder der Medienaufsicht im Rahmen der Weiterentwicklung und Stärkung des europäischen digitalen Binnenmarkts an die EU überantwortet.
  • Mission 4: die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft fördern. Hierzu werden neue Partizipationsprozesse und Förderinstrumente entwickelt, die besser auf die Bedürfnisse zivilgesellschaftlicher Organisationen abgestimmt sind. Voraussetzung für diese Entwicklung ist der verstärkte Austausch zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft, in dem gegenseitiges Verständnis aufgebaut und Vorurteile abgebaut werden.
  • Mission 5: Kultur und Instrumente der Förderung von Innovation in der öffentlichen Verwaltung verankern. Es werden Konzepte für interne Challenges und Ideen-Inkubatoren entwickelt, über die eine Kultur der Innovation in der öffentlichen Verwaltung verankert wird. Konstruktive Kritik an Verwaltungsprozessen und die Mitarbeit an Verbesserungsvorschlägen werden auf allen Ebenen gefördert.

Autor

Stiftung Neue Verantwortung e. V. – Think Tank für digitale Technologien, Politik und Gesellschaft. Im Bereich der Außenpolitik, in der Wirtschaftspolitik oder in der Umweltpolitik existiert in Deutschland eine Vielzahl hervorragender Forschungsinstitute und Denkfabriken. Bei Fragen der Digitalisierung und neuer Technologien fehlen vergleichbare Organisationen, in denen Expert*innen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen unabhängig arbeiten. Diese Lücke in der deutschen Instituts- und Think Tank-Landschaft möchte die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) füllen. Dafür bringen wir technisches Fachwissen und Expertise zu gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen in einer Organisation zusammen.

Impressum

Angaben gemäß §5 TMG

Superrr Lab SL gGmbH
Oranienstraße 58a
10969 Berlin

Vertreten durch:
Julia Kloiber
Elisa Lindinger

Illustrationen:
Anna Niedhart

Registereintrag:
Eintragung im Handelsregister.
Registergericht: Berlin
Registernummer: HRB 207856 B


Die Initiative hat einen Rapid Response Grant der Schöpflin Stiftung erhalten, der für Webdesign und Grafik eingesetzt wurde.