Henriette Litta über Transparenz in der Regierung
Mit Offenen Daten zu Offener Regierungsführung
Der Status Quo
Die Digitalisierung wird selten in einem Atemzug mit Offener Regierungsführung genannt. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland sowohl in Bezug auf Offenes Regierungshandeln als auch den Zugang zu Offenen Verwaltungsdaten und die Nutzung digitaler Technologien schlecht ab. Auch die Verbreitung von digitalen Technologien in der Verwaltung und der Zugang zu schnellem Internet sind im internationalen Vergleich verbesserungswürdig. Bei der Transparenz besteht ebenfalls Handlungsbedarf: So übermitteln Behörden immer noch geschwärzte Ausdrucke als Antwort auf Informationsfreiheitsanfragen und machen von den zahlreichen Ausnahmeregelungen Gebrauch.
Mit Verweis auf den Datenschutz, auf Urheberrecht, Marken- und Patentrecht sowie Geschäftsgeheimnisse wird den Bürger*innen der Zugang zu staatlichen Informationen oft teilweise oder sogar ganz verweigert. Als Gründe für dieses mangelhafte Abschneiden sind die fehlende politische Unterstützung und die auf Freiwilligkeit und Unverbindlichkeit basierenden bisherigen Maßnahmen zu nennen. Einen Rechtsanspruch auf Offene Daten gibt es bisher nicht.
Unsere Vision für 2030
Unsere Vision ist die Entstehung eines Ökosystems des Offenen Wissens und des Offenen Regierungshandelns, das Vertrauen in staatliches Handeln stärkt und der Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle in der Gestaltung der gemeinwohlorientierten Digitalpolitik ermöglicht.
Ein Wesenskern dieser Offenheit ist die Umsetzung des Grundrechts der Bürger*innen auf ein flächendeckend schnelles Internet, in dem Meinungsfreiheit garantiert, Anonymität möglich und die Privatsphäre der Individuen geschützt ist. Offenes Wissen schafft Transparenz, stärkt die Rechenschaftspflicht und führt über effiziente Verwaltung zu Offener Regierungsführung. Der Zugang zu amtlichen Informationen ist umfassend, unmittelbar und barrierefrei. Staatliche Akteur*innen stellen Informationen und Datensätze regelmäßig und proaktiv zur Verfügung, Ausnahmen sind auf ein Minimum begrenzt. Dies ermöglicht eine bessere Kontrolle des staatlichen Handelns. Alle Bundesländer sind auf dem zentralen GovData-Portal vertreten, alle Kommunen haben ihre Daten geöffnet. Die Open-Data-Koordinator*innen der Bundesministerien sind zu Open-Data-Beauftragten mit einem der Datenschutzbeauftragten vergleichbaren Mandat aufgewertet worden.
Die transparente Bereitstellung von Offenen Daten inspiriert auch Akteur*innen aus anderen Sektoren, Daten zur Verfügung zu stellen und Offene Daten nachzunutzen. Daraus entstehen Civic-Tech-Anwendungen für das Gemeinwohl ebenso wie kommerzielle digitale Produkte – auch europäische und internationale Akteur*innen engagieren sich in diesem Ökosystem. Die Bundesregierung stellt sicher, dass Offene Lizenzen bei staatlich geförderten Produkten konsequent verwendet werden, und gewährleistet damit, dass die Ergebnisse wieder der Gesamtgesellschaft zukommen und nicht nur einzelne Unternehmen davon profitieren. Auf diese Weise können beispielsweise auch Digital-Ehrenamtliche wirken, ohne juristische Konsequenzen befürchten zu müssen. Neben Soft- und Hardware gilt dies auch für Forschungsergebnisse, die staatlich finanziert werden.
Die Zeit der Innovationslabore ist vorbei. Stattdessen wächst die Erkenntnis, dass es wirksamer und nachhaltiger ist, die Umsetzung der digitalen Transformation nicht in separaten, agilen Teams zu organisieren, sondern die Regelstrukturen so umzubauen, dass innerhalb dieser Strukturen selbst an der Umsetzung der Digitalisierung gearbeitet wird. Zusätzlich gibt es eine Co-Creation-Strategie der Bundesregierung, die Verwaltungsstrukturen für sektorenübergreifende Zusammenarbeit öffnet. Alle gesellschaftlichen Gruppen arbeiten nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig und langfristig an der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Wichtiger Teil der Strategie ist die Möglichkeit, erfolgreich erprobte, gemeinwohlorientierte Civic-Tech-Projekte, die aus der Zivilgesellschaft entstanden sind, bei den zuständigen Behörden aufzunehmen und zu verstetigen, so wie es wenige Jahre zuvor erfolgreich mit kleineAnfragen.de gelungen ist.
Unsere Forderungen an die Politik
- Verabschiedung eines Transparenzgesetzes des Bundes: Meint man es mit der Offenen Regierungsführung wirklich ernst, müssen auch die nötigen Durchsetzungsmöglichkeiten bei der Informationsfreiheit geschaffen werden. Es ist höchste Zeit, das Informationsfreiheitsgesetz zu einem echten Transparenzgesetz weiterzuentwickeln, das auch einen Rechtsanspruch auf Open Data beinhaltet. Offene Verwaltungsdaten sind ein Gemeingut und sollen standardmäßig offen zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere sollen solche Daten, die demokratische Kontrolle ermöglichen, öffentlich einsehbar, maschinenlesbar und mit Offenen Schnittstellen automatisiert abrufbar sein. Hierzu zählen u. a. Verträge für steuerlich finanzierte Aufträge, Plenarprotokolle, Dokumente und Anträge im Bundestag. Grundsätzlich sollten aber alle Verwaltungsdaten veröffentlicht werden, sofern keine datenschutz- oder urheberrechtlichen Ausschlussgründe vorliegen.
- Beratung und Co-Creation mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen: Bevor Technologien entwickelt werden oder zum Einsatz kommen, soll eine partizipative Technikfolgenabschätzung unter Einbeziehung von Expert*innen der Zivilgesellschaft erfolgen. Dabei sollen insbesondere Kriterien für den gesellschaftlichen Mehrwert einer Anwendung berücksichtigt werden. Zu ihnen gehören u. a. die Gemeinwohlorientierung, der Einsatz von Open-Source-Software, der Einbezug besonders vulnerabler Gruppen in die Entwicklung sowie die Barrierefreiheit. Zur besseren Vernetzung mit der Zivilgesellschaft soll eine Datenbank aus Expert*innen der Zivilgesellschaft aufgebaut werden, um vielfältige Expertise bei Konferenzen, Panels, Anhörungen, etc. einzubinden.
- Offene Technologiebildung stärken: Damit Technologien nicht ohne Rücksicht auf ihre Konsequenzen eingesetzt werden, müssen Menschen aller Altersgruppen befähigt werden, sich selbstbestimmt und kritisch mit der Nutzung digitaler Medien und Technik auseinanderzusetzen. Diese Offene Technologiebildung wird von vielen Digital-Ehrenamtlichen unterstützt, indem sie Offene Lehr- und Lernmaterialien entwickeln, Workshops geben, erklären, ausprobieren und technische Geräte auseinandernehmen. Um schneller in die Fläche zu gelangen, sollten besonders außerschulische Lernorte in den Blick genommen werden, die bereits jetzt mit Programmen wie „Jugend hackt“ eine wichtige Ergänzung zu schulischen Angeboten bilden.
Autorin
Henriette Litta, Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. (OKF DE)
Offenes Wissen ist in einem demokratischen Staat Voraussetzung jeder Mitbestimmung, weshalb sich die OKF DE dafür einsetzt, dass Wissen online wie offline Offen verfügbar ist. Wir fördern den freien Zugang zu Informationen, die Stärkung von Offener Soft- und Hardware und die Aneignung digitaler Kompetenzen, damit Menschen informierte Entscheidungen treffen, sich aktiv in soziale, gesellschaftliche und demokratische Prozesse einbringen und diese gestalten können. Die Öffnung von Daten soll nicht nur politische Teilhabe stärken, sondern auch politisches Handeln transparent und nachvollziehbar machen.