Gemeinwohlorientiert & langlebig

Wie wir digitale Infra­strukturen für alle aufbauen können

Der Status Quo

Die digitale Infrastruktur stellt die Basis für die Nutzung aller digitalen Technologien dar und ist einer der entscheidenden Ansatzpunkte für eine nachhaltige digitale Transformation. Steigende Energieverbräuche in den Rechenzentren und Netzwerken sind ebenso kritisch wie die Art und Weise der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Geräten der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie die Gestaltung der Software. Der Energie- und Ressourcenverbrauch sowohl für die Produktion von Endgeräten als auch den Betrieb von Geräten, Netzen und Rechenzentren ist erheblich und die sozialen und ökologischen Problemlagen, die damit einhergehen, können nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Die Herstellung der Elektronikkomponenten findet häufig an Standorten mit hohen Kohlestromanteilen im Strommix und unter menschenunwürdigen Bedingungen statt. Der Großteil unserer Smartphones, Rechner und Laptops kann nicht repariert oder langfristig genutzt werden, gleichzeitig haben viele Menschen gar keine Zugangsmöglichkeiten. Die derzeitige Gestaltung der digitalen Infrastruktur ist damit weder für die Menschen noch für die Umwelt nachhaltig.

Unsere Vision für 2030

Der zehn Jahre alte Rechner surrt leise vor sich hin, während ich an einer Online-Konferenz teilnehme, die klimaneutral und komplett mit Open-Source-Lösungen umgesetzt wurde. Auf der Konferenz erklärt die Kanzlerin, dass das Ziel erreicht wurde, alle Rechenzentren in Deutschland mit dem „Blauen Engel“ zu zertifizieren. Künftig dürfen europaweit nur noch neue Rechenzentren gebaut werden, die sich in Gänze mit erneuerbaren Energien versorgen und maximale Nachhaltigkeitsstandards für die Kühlung und Abwärmenutzung einhalten. Die Konferenzpause nutze ich für einen Besuch des Repair-Cafés um die Ecke, da der Akku meines Smartphones kaputt ist.

Schnell habe ich den Akku ausgetauscht und kann mein Smartphone nun viele weitere Jahre nutzen. Später klopft meine Nachbarin an und fragt , ob ich noch eine Ersatzfestplatte für sie hätte. Dank Freier, offener Software, die benutzungsfreundlich ist, und langlebiger modularer Hardware können alle Menschen selbstständig ihre Geräte reparieren, warten und updaten. Darüber hinaus ist die Herkunft aller Teile nachvollziehbar. Durch den modularen Aufbau können sie zudem recycelt werden. Während ich im Internet surfe, um eine Sammelstelle für meinen alten Akku zu finden, sehe ich die Meldung, dass die großen Technologie-Unternehmen nur noch ein Minimum an Daten sammeln, seitdem sie sich nicht nur der Klimaneutralität, sondern auch der Datensparsamkeit verpflichtet haben.

Nutzer*innen können selbst entscheiden, ob sie ein werbefinanziertes oder kostenpflichtiges Angebot nutzen wollen. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, denke ich, und wende mich wieder der Konferenz zu. Der Anteil an zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich für eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Digitalisierung einsetzen, habe sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt, erklärt sie. Durch die Schaffung des Fördertopfes „Von uns – Für uns“ können sich Initiativen unkompliziert und bürokratiefrei über ein Online-Portal um eine Grundfinanzierung von bis zu 10 Jahren bewerben. Voraussetzung ist, dass sie sich dem Gemeinwohl und der nachhaltigen Gestaltung der Gesellschaft verpflichtet haben.

Dank dieser Initiative ist nun in vielen Bereichen Mitbestimmung und Transparenz bei der nachhaltigen Gestaltung der digitalen Transformation eine Selbstverständlichkeit. Prinzipien der Daten- und Technologiesouveränität sowie privacy-by-design-Ansätze werden konsequent umgesetzt und Kommunen nutzen die Innovationskraft regionaler sowie zivilgesellschaftlicher Akteur*innen.

Unsere Forderungen an die Politik

  • Digitale Infrastruktur muss so ressourcen- und energiesparend wie möglich funktionieren. Dazu muss eine verpflichtende Standardisierung von Hardware auf EU-Ebene umgesetzt werden. Bei Neuausschreibungen müssen Betreibende sicherstellen, dass sie die Kriterien für ressourcensparende Rechenzentren und Netzwerke erfüllen. Dazu muss der „Blaue Engel“ für Rechenzentren weiterentwickelt und verpflichtend eingeführt werden.
  • Ein wirksames Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zur Sorgfalt entlang der gesamten Wertschöpfungskette und ermöglicht eine zivile Haftung, damit Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Schadensersatz von den Unternehmen fordern können.
  • Das Recht auf Reparatur muss gesetzlich verankert werden. Es umfasst die verpflichtende Veröffentlichung aller für die Reparatur relevanten Informationen sowie einen diskriminierungsfreien und dauerhaften Zugang für alle (gewerblichen) Werkstätten und Endnutzer*innen zu allen für die Reparatur relevanten Mitteln und Werkzeugen.
  • Schaffung eines Fonds für die langfristige Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die sich dem Gemeinwohl und der nachhaltigen gesellschaftlichen Transformation verpflichtet haben. Das Gemeinnützigkeitsrecht muss aktualisiert werden, um die agile und versierte digitale Zivilgesellschaft gebührend wertzuschätzen und weiter zu stärken.
  • „Public Money – Public Code": Um öffentliche und nachhaltige digitale Infrastrukturen zu fördern, braucht es eine rechtliche Verpflichtung, dass mit öffentlichen Geldern entwickelte Soft- und Hardware unter einer Freie-Software- und Open-Source-Lizenz veröffentlicht werden. Zudem wird ein Europäischer Fonds für offene Technologien zur Schaffung langfristiger Strukturen, die die Entwicklung nachhaltiger und offener Hard- und Software fördern und zur digitalen Souveränität beitragen, benötigt.

Autor*innen

Friederike Rohde & Johanna Pohl und die Mitglieder des Arbeitskreises Zukunftsfähige Digitalität (Volker Bernhard, Vivian Frick, Maike Gossen, Maxim Keller, Felix Maschewski, Anna-Verena Nosthoff und Gemina Picht).

Der Arbeitskreis Zukunftsfähige Digitalität gehört zum Rat für Digitale Ökologie und bietet Raum für Austausch und Zusammenarbeit von jungen Forschenden, die sich in unterschiedlichen Disziplinen mit richtungsweisenden digitalen Themen beschäftigen. In der taz FUTURZWEI erscheint seit 2021 eine Kolumne des Kollegs.

Impressum

Angaben gemäß §5 TMG

Superrr Lab SL gGmbH
Oranienstraße 58a
10969 Berlin

Vertreten durch:
Julia Kloiber
Elisa Lindinger

Illustrationen:
Anna Niedhart

Registereintrag:
Eintragung im Handelsregister.
Registergericht: Berlin
Registernummer: HRB 207856 B


Die Initiative hat einen Rapid Response Grant der Schöpflin Stiftung erhalten, der für Webdesign und Grafik eingesetzt wurde.